Römische Zeit

Im Römischen Weltreich, zu dem in den ersten vier Jahrhunderten n. Chr. auch das Gebiet des heutigen Thurgaus gehörte, war die als staatsfeindlich eingeschätzte christliche Religion zunächst verboten. Es kam mancherorts über Jahrhunderte hinweg zu Christenverfolgungen.

Eine erste Wende trat unter Kaiser Konstantin dem Grossen ein: Im Jahre 313 wurde das Christentum zunächst eine vom Staat erlaubte, dann sogar geförderte Religion, bis sie im Jahre 380 durch Kaiser Theodosius zur allein geltenden erklärt wurde. Dies hatte eine rasche Verbreitung des christlichen Glaubens im Römischen Reich zur Folge, das noch bis 476 den Stürmen der Völkerwanderung trotzen konnte. Vor allem innerhalb römischer Festungsmauern entstanden christliche Gemeinden, so in Arbon, auf Burg bei Stein am Rhein und im Städtli Pfyn. In der Westschweiz zählte man um das Jahr 400 bereits mehrere Bischofssitze. In Chur bestand ein solcher spätestens um 452.

Die Alamannen und die fränkischen Herrscher

Als Folge der Einwanderung der Alamannen, die bei ihrer angestammten Religion blieben, wurde das Christentum zunächst wieder zurückgedrängt. Im 6. Jahrhundert wurde der Bischofssitz von Windisch für kurze Zeit nach Pfyn, dann nach Arbon und schliesslich nach Konstanz verlegt, wo er bis ins 19. Jahrhundert von grosser Bedeutung für den Thurgau wurde.

Im Jahre 496 nahm der Frankenkönig Chlodwig den christlichen Glauben an. Er und seine Nachfolger bemühten sich eifrig um die Christianisierung der von ihm besiegten Alamannen.

Die fränkischen Herrscher liessen sich die Förderung der Christianisierung der Alamannen aus politischen Motiven angelegen sein: Die christliche Religion sollte den inneren Zusammenhalt des Reiches stärken. Die Religiosität der Alamannen war noch von einfacher Art: "Die Gläubigen kannten selten mehr als das 'Unser Vater' und das Glaubensbekenntnis und hörten in den Kirchen selten Predigten an. Allgemein herrschte die Überzeugung, dass nur in der Einsamkeit und in der Aussonderung von der Welt Gott wohlgefäIIig zu werden möglich sei." So wurden klösterliche Gemeinschaften gegründet, die sich zum Teil zu bedeutenden Klöstern entwickelten oder in grössere Gemeinschaften einverleibt wurden, wie beispielsweise ein Männerkloster in Aadorf, das unter die Aufsicht des Klosters St. Gallen kam und um die Jahrtausendwende verschwand, oder wie jenes von Salmsach, das dem Stift zu St. Stephan in Konstanz angegliedert wurde.

Klösterliche Gemeinschaften

Um 590 kam der irische Wandermönch Columban mit zwölf Gefährten auf dem europäischen Festland an. Sie wollten in der Fremde eine besondere Form der Nachfolge und Askese, nämlich die der Pilgerschaft und der Heimatlosigkeit um Christi willen leben. Columban gründete auf heute französischem Boden klösterliche Gemeinschaften und zog nach der zerfallenen Römerstadt Bregenz, wo die Glaubensboten vertrieben wurden. Columban zog weiter nach ltalien.

Einer seiner Gefährten, Gallus, blieb krankheitshalber in Arbon zurück und fand beim dortigen Priester Willimar und dessen drei Diakonen gastliche Aufnahme. Das zeigt, dass um 600 in Arbon eine christliche Gemeinde bestand. Gallus zog dann ins Steinachtal, wo er - nach der Sage mit Hilfe eines Bären - eine Klause errichtete, um weltabgeschieden ein frommes Leben zu führen. Er starb im Jahr 630 in Arbon.

An der Stelle dieser Einsiedelei wurde vor 750 das Kloster St. Gallen gegründet, das in der Folge für den Thurgau höchst bedeutsam sein sollte. Es  wurde in reichem Masse mit Schenkungen auch aus dem Thurgau bedacht. 

Wie das Kloster St. Gallen erlangte auch das auf der Reichenau im Jahre 724 vom Benediktinermönch Pirmin gegründete, ursprünglich Sintlasau genannte Kloster in kultureller und wirtschaftlicher  Hinsicht während der folgenden Jahrhunderte eine grosse Bedeutung.

Gotteshäuser, Kirchgemeinden und Klöster

Ursprünglich waren die Andachtsstätten der christlichen Gemeinden aus Holz erbaut und hatten keine Türme mit Glocken. Aus den Urkunden geht hervor, dass die ersten Gotteshäuser in Diessenhofen (757), Romanshorn (779), Burg-Eschenz (799), Rickenbach bei Wil (838) standen. In Bussnang wurde 885 eine "Basilika" erbaut, die dem heiligen Gallus geweiht wurde. Um 800 bestanden bereits die meisten Kirchgemeinden im Thurgau, wie wir sie heute kennen.

Es ist erstaunlich, wie viele Einwohner des Thurgaus ihr Vermögen ganz oder teilweise einer Kirche oder einem Kloster schenkten. Das konnte verschiedene Gründe haben: Die Stifter wollten auf diese Weise am Gebet der Klostergemeinschaft teilhaben und damit ihr Seelenheil sichern. Männer konnten sich auch als Hörige einem Kloster übergeben, um vom Heerbann, das heisst von der Kriegsdienstpflicht befreit zu werden, was in kriegerischen Zeiten seine Vorteile hatte.

Das folgende Verzeichnis zeigt, wie viele Klöster im Lauf eines Jahrtausends für den Thurgau eine grosse Bedeutung hatten (wobei klösterliche Gemeinschaften von kurzer Dauer wie die Propstei Aadorf und die Klöster von Salmsach und Tägerwilen nicht aufgeführt sind):

Bischofszell Chorherrenstift St. Pelagius von etwa 850 bis 1848
Feldbach Zisterzienserinnenkloster von 1253 bis 1848
Fischingen

Benediktinerabtei
Bendiktinerpriorat

von etwa 1135 bis 1848
seit 1977

Frauenfeld Kapuzinerkloster von 1595 bis 1848
Ittingen Augustinerkloster von 1150 bis 1461, 
bis 1848 Kartause
Kalchrain Zisterzienserinnenkloster von 1330  bis 1848
Klingenzell Propstei von 1336 bis 1803
Kreuzlingen Augustinerkloster von 968 bis 1848
Münsterlingen Benediktinerkloster von etwa 1100 bis 1848
Paradies Klarissinnenkloster von 1260 bis 1836
St. Katharinental      Augustinerinnenkloster,
dann Dominikanerinnenkloster    
von 1242 bis 1869
Tänikon Zisterzienserinnenkloster von 1249 bis 1848
Tobel Johannniterorden von etwa 1250 bis 1807
Wagenhausen Benediktinerabtei

von 1083 bis 1417, 
dann Propstei bis 1529

Im Thurgau bestanden also bis ins 19. Jahrhundert dreizehn klösterliche Niederlassungen. Im Unterschied zu anderen Kantonen haben sie die Reformation überlebt, weil die Gemeine Herrschaft Thurgau bis 1798 von den Alten Orten der Eidgenossenschaft regiert wurde, die teils katholisch, teils evangelisch waren.

Die Kirche im Reiche Karls des Grossen

Kaiser Karl der Grosse (768-814) wurde der Schutzherr und Leiter der Kirche im Abendland. Er strebte eine durchgreifende Organisation der  Kirche an. Seine Kapitularien (Gesetze) regelten kirchliche wie staatliche Dinge. Die wirtschaftlichen Grundlagen der Kirche wurden vermehrt, indem die von der Kirche geforderte Abgabe des Zehnten durchgesetzt wurde.

Durch die Unterstellung der Klöster unter die Aufsicht der Bischöfe wurde deren Position gestärkt. Die Aufsicht über die Geistlichkeit übten die Bischöfe aus, indem sie durch Predigt- und Visitationsreisen an der Erneuerung der Kirche arbeiteten. Von grosser Bedeutung für die Kirchengeschichte bis auf den heutigen Tag war die Einteilung eines Bistums in Pfarrsprengel mit Taufrecht, eigenem Friedhof und dem Recht auf den Zehnten. Dadurch wurde die Kirchgemeinde mit dem Pfarrer als deren Leiter geschaffen. Grosse Aufmerksamkeit widmete Karl der Grosse der Bildung des Klerus (der Geistlichkeit), dessen Ausbildung an den Kloster- und Domschulen erfolgte. Auf dem Gebiet des Gottesdienstes und der Seelsorge wurden Reformen von bleibender Bedeutung durchgeführt. Die Predigt in der Volkssprache sollte die Sittlichkeit des Volkes heben. Den gleichen Sinn hatte die Empfehlung der Ohrenbeichte, die an die Stelle der altkirchlichen öffentlichen Busse getreten war. In dieser Zeit wurden auch die Kirchenglocken allgemeine kirchliche Einrichtung. Karl führte das Gebetsläuten ein und drang auf würdige Feier der Sonn- und Feiertage. Von allen seinen Untertanen verlangte er, dass sie das 'Unser Vater' und das Glaubensbekenntnis in der Volkssprache auswendig lernten. Im Weiteren legte er, zwar ohne bleibenden Erfolg, den Grund zur Volksschule. Immerhin setzte er durch, dass in allen Klöstern eine Schule geführt wurde. Grosse Aufmerksamkeit schenkte der Herrscher auch der Armenfürsorge. Der kirchliche Aufschwung spiegelte sich in einer neuen Blüte der kirchlichen Baukunst. Der aus ltalien und Gallien übernommene altkirchliche Baustil mit der Form der Basilika wurde allmählich vom romanischen Baustil abgelöst.

Die Kirche im Mittelalter

Das kirchliche Leben im Thurgau während des Mittelalters ist im Zusammenhang mit dem der Gesamtheit der römisch-katholischen Kirche zu sehen. Als Höhepunkt gilt der unter Papst Innozenz III. auf dem 4. Laterankonzil in Rom im Jahre 1215 gefasste Beschluss über die sogenannte Transsubstantiation: In der Feier der Eucharistie (der Messe) ereigne sich bei gleichbleibenden Merkmalen von Brot und Wein ein 'Übergang von deren Substanz in die Substanzen' von Leib und Blut Jesu Christi.

In der Folge des gleichen Laterankonzils wurde im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts die Kommunion unter den beiden Gestalten von Brot und Wein immer mehr auf den zelebrierenden Priester beschränkt. Äussere Gründe dafür waren organisatorische und hygienische Schwierigkeiten bei der Kelchkommunion von Massen, wie sie die Bettelordenskirchen der Franziskaner und der Dominikaner der Zeit fassten. Die Dimensionen der Kirchen der beiden Orden zum Beispiel in Venedig belegen den Sachverhalt. Die Scholastik, vorab der Dominikaner Thomas von Aquin, gab die theologische Begründung: Beim Vollzug des eucharistischen Opfers durch den Priester sei der signifikative Charakter der Brot- und der Weingestalt notwendig. Bei der Kommunion der Gläubigen genüge die Gestalt des Brotes, da in jeder der beiden Gestalten der ganze Christus gegenwärtig sei. Das sind die Hintergründe für den wichtigen reformatorischen Streitpunkt des Laienkelchs: Die mittelalterliche Entwicklung widersprach der Praxis des frühen Christentums. Im Weiteren wurde den Gläubigen die Pflicht auferlegt, mindestens einmal im Jahr die Ohrenbeichte abzulegen und an der Kommunion teilzunehmen.

Die Reformation im Thurgau

Im Laufe des Mittelalters kämpften verschiedene grosse Theologen und vor allem die Gründer der Orden immer neu gegen Missstände in der Kirche, und auf einigen Konzilien wurde um Reformen gerungen. Entscheidende Ergebnisse kamen nicht zustande. Eine tiefgreifende Umwälzung erreichte die Reformation im 16. Jahrhundert. Sie schlug ihre Wellen auch in den Thurgau, der mit der Eroberung durch die Sieben Orte der Eidgenossenschaft 1460 eine Gemeine Herrschaft geworden war.

In Zürich wirkte seit 1519 der Reformator Ulrich Zwingli. Er war ein Vertreter der geistigen Bewegung des Humanismus, die in Italien entstanden, über die Konzilien von Konstanz und Basel in den Norden kam. Der Humanismus suchte die Wiedergeburt der Humanitas der Antike und des frühen Christentums zu erreichen durch das Studium der in den Klöstern überlieferten handschriftlichen Quellen des griechischen und römischen Schrifttums, zu dem im Bereich der Religion auch die griechischen und lateinischen Fassungen der Bibel und die Werke der Kirchenväter in den beiden genannten Sprachen gehörten. Die humanistische Philologie eines Luther oder eines Erasmus, den Zwingli persönlich kannte, zählt zu den Voraussetzungen für das Verständnis der Heiligen Schrift als der einzigen Grundlage des christlichen Glaubens und des kirchlichen Lebens. Die Predigt Zwinglis im Zürcher Grossmünster bewirkte, dass auf einem Religionsgespräch im Jahre 1523 der Rat von Zürich die Predigt des Evangeliums nach dem Vorbild Zwinglis in der Stadt und auf der Landschaft anordnete.

In den beiden folgenden Jahren wurde in der Limmatstadt die Reformation durchgeführt. Die Messe wurde durch das Abendmahl als schlichte Feier des Gedächtnisses des Erlösungstodes Jesu Christi ersetzt. Als weiteres Sakrament (die katholische Kirche kennt deren sieben: Taufe, Firmung, Eucharistie, Ehe, Priesterweihe, Beichte, Krankensalbung) galt nur noch die Taufe. Die Pflicht zur Ehelosigkeit der Priester wurde aufgehoben, Beichte, Fastenvorschriften und die Bilderverehrung wurden abgeschafft. Die Klöster wurden aufgehoben, und ihr Vermögen wurde für die Armenpflege und das Schulwesen eingesetzt.

Dem Reformator ging es aber nicht allein um die Reformation der Kirche, sondern auch um die Erneuerung des gesamten öffentlichen Lebens. So enthielt das reformatorische Programm auch sozial-politische Forderungen, die vor allem in der Landschaft auf offene Ohren stiessen: Abschaffung der Leibeigenschaft, Erleichterung der Abgaben, der Zehntpflicht, die Forderung der Pfarrwahl durch die Gemeinden, die Freiheit, Landsgemeinden abzuhalten. Dank dem weisen Verhalten Zwinglis kam es aber nicht wie in Deutschland im Jahre 1525 zu einem blutigen Bauernaufstand, der von den Fürsten niedergeschlagen wurde. Aber die Gärung im Volk machte sich doch auch in Gewaltakten bemerkbar, so etwa im Ittinger Sturm in der Nacht vom 18./19. JuIi 1524, bei dem die Kartause Ittingen eingeäschert wurde.

Am 28. Mai 1525 kam ein Gerichtsherrenvertrag zustande, der den Bauern im Thurgau für ein Jahr Zugeständnisse im Blick auf ihre Forderungen brachte. Auf einer Landsgemeinde in Weinfelden am 9. Dezember 1528 wurden die Forderungen des Volkes, vor allem die freie Predigt des Evangeliums, bekräftigt, und am 15. April 1529 wurde gar die Forderung der "Gleichförmigkeit" erhoben, das heisst die Durchführung der Reformation in der ganzen Landgrafschaft.

Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen

Da die Inneren Orte der Eidgenossenschaft sich darauf geeinigt hatten, beim alten Glauben zu bleiben und sich der Reformation wenn nötig mit Gewalt zu widersetzen, kam es im Juni 1529 zum 1. Kappeler Krieg, für dessen Beendigung ohne Blutvergiessen als einzigartig prägnantes Bild das Randereignis der "Kappeler Milchsuppe" steht. Er führte zum 1. Landfrieden vom 26. Juni 1529, der forderte, dass keine Partei die andere von ihrem Glauben drängen dürfe. Die Gemeinden sollten das Recht haben, mit Mehrheitsbeschluss zu entscheiden, ob sie die Reformation durchführen wollten oder nicht.

Zwingli und der Stand Zürich hatten ein besonders wachsames Auge auf die Ereignisse im Thurgau. Da keine Einheit der Lehre erreicht war, kam es am 13. Dezember 1529 zur ersten evangelischen Synode im Thurgau, die unter der Leitung Zwinglis in Frauenfeld stattfand. Dem von ihm vorgelegten Synodaleid, den die Pfarrer als Lehrer, Wächter und Hirten der Gemeinden abzulegen hatten, wurde zugestimmt. Unter anderen Fragen wurde das Verständnis des Abendmahles besprochen. Nach einer weiteren Synode am 17. Mai 1530 kam schliesslich am 17. September 1530 der sogenannte "Thurgauer Vergriff" zustande, durch den auch der Gerichtsherrenstand der inzwischen entstandenen evangelischen Volkskirche im Thurgau beitrat. Die von der Synode am 17. Mai 1530 beschlossene Kirchen- und Sittenordnung nach Zürcher Muster wurde anfangs November 1530 als Religionsmandat durch den Landvogt Philipp Brunner von Glarus in Kraft gesetzt und dem Volk von den Kanzeln herab bekannt gemacht. Aber die evangelische Kirche im Thurgau war für die Zukunft noch nicht gesichert. Im Jahre 1531 kam es erneut zu einem Waffengang, dem 2. Kappeler Krieg. Am 11. Oktober 1531 erlitt die evangelische Partei eine schwere Niederlage. Ulrich Zwingli und mit ihm viele Evangelische, unter ihnen 300 aus dem Thurgau, darunter auch evangelische Pfarrer, fanden den Tod. Am 20. November 1531 kam in Deinikon bei Baar der 2. Landfriede zustande, durch den der "Thurgauer Vergriff" ausser Kraft gesetzt wurde und denen, die beim alten Glauben bleiben oder wieder zu ihm zurückkehren wollten, das Recht dazu verbürgte. Die Kirchengüter und Pfrundvermögen sollten im Verhältnis der Seelenzahl jeder Konfession geteilt werden.

Während nahezu zweihundert Jahren war es den Evangelischen verwehrt, eigene Kirchen zu bauen. Sie waren gehalten, die Kirchen mit den Katholiken zu teilen. Ausnahmen bildeten die evangelischen Kirchen von Frauenfeld und die von der Äbtissin des Klosters Münsterlingen erbaute Kirche von Scherzingen. Während an einigen Orten die Kirche wieder nur für den katholischen Kultus eingerichtet wurde, anderswo aber für den evangelischen Gottesdienst zur Verfügung stand, benützten von 1531 an vielerorts beide Konfessionen gemeinsam ein Gotteshaus, wobei es immer wieder zu unerfreulichen Streitigkeiten kam. Je nachdem, ob ein evangelischer oder ein katholischer Stand der Sieben Orte, die über den Thurgau regierten, ihren Landvogt in den Thurgau entsandte, wurde die eine oder andere Konfession bevorzugt. Zürich liess es sich jedenfalls sehr angelegen sein, die evangelische Sache im Thurgau zu schützen und zu fördern und gut ausgebildete evangelische Pfarrer in die Gemeinden zu schicken.

Grundsatz der Parität

Entspannung in die konfessionelle Rivalität brachte der 4. Landfriede vom 11. August 1712 in Baden, der nach der Niederlage der katholischen Orte im 2. Villmerger Krieg geschlossen wurde. Von nun an gehörte auch der Stand Bern, als Folge seiner Beteiligung am Krieg auf der Seite der Evangelischen, den über die Landgrafschaft Thurgau regierenden Acht Alten Orten der Eidgenossenschaft an.

Der 4. Landfriede bildete bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft im Jahre 1798 eine Art konfessionelle Verfassung für die Gemeinen Herrschaften. Danach wurde die rechtliche Gleichstellung der beiden Konfessionen, die sogenannte Parität, festgelegt, die im Thurgau bis zum heutigen Tag fortwirkt. Die bisherigen gottesdienstlichen Ordnungen blieben bestehen. Jede Konfession konnte nun auf eigene Kosten Kirchen bauen. Als erste evangelische Kirchen sind diejenigen von Wäldi, Schönholzerswilen und Egelshofen (Kreuzlingen) zu nennen.

Bis anfangs unseres Jahrhunderts zählte man im Thurgau dreissig paritätische oder Simultankirchen. Heute sind es noch deren zehn, nämlich in Basadingen, Ermatingen, Frauenfeld-Oberkirch, Güttingen, Leutmerken, Oberhofen, Pfyn, Romanshorn ("Alte Kirche"), Sommeri und Uesslingen.

gemeinsame Nutzung des Kirchengebäudes durch evangelische und katholische Christen: aufgelöste und bestehende Simultanverhältnisse

Simultanverhältnisse Kanton Thurgau - zum Vergrössern auf Bild klicken! (Bild: Kath. Landeskirche Thurgau)

Seit dem 4. Landfrieden entschied in konfessionellen Streitigkeiten nicht mehr die Mehrheit der regierenden Orte oder der Landvogt, sondern eine paritätische Kommission, bestehend aus gleich viel Vertretern beider Konfessionen. Die eigentliche Hoheit über die evangelische Kirche übte der Stand Zürich aus, über die katholische der Bischof von Konstanz. Am 3. März 1798 wurde der Thurgau durch Beschluss der eidgenössischen Tagsatzung ein freies Glied der Helvetischen Republik.

Die kirchlichen Verhältnisse nach 1798

Vor 1798 gab es im Thurgau keine eigenständigen Kirchenbehörden. Während der Zeit der Helvetik (1798 bis 1803) ging der weltliche Teil der Kirchengewalt an die helvetische Zentralregierung, die sie aber der Verwaltungskammer eines jeden Kantons übertrug. Im Jahre 1803 wurde der Thurgau ein im Rahmen des eidgenössischen Staatenbundes souveräner Kanton. Er erhielt die erste selbständige Regierung, den Kleinen Rat, der aus sechs evangelischen und drei katholischen Mitgliedern bestand. Als höchste Autorität im Staat erliess dieser am 17. Juni 1803 das erste kirchenpolitische Gesetz. In der Mediationsverfassung von 1803 wurde in § 24 die "freie und uneingeschränkte" Ausübung des katholischen und evangelischen Gottesdienstes zugesichert. Bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand eine enge Bindung beider Kirchen an den Staat. "In Erwägung, dass Religion und Sittlichkeit die ersten Grundlagen für das Glück jedes Landes sind", wurde nach 1803 das Kirchenwesen durch die staatliche Gesetzgebung organisiert. Das kirchenpolitische Gesetz vom 17. Juni 1803 schrieb die Bildung von je zwei konfessionellen Gremien des Kleinen und des Grossen Rates und eines paritätischen Kirchenrates vor.

Die Katholische Landeskirche

Die katholische Kirche besass eine geschlossene Organisation mit eigenem kanonischem Recht und einer streng gegliederten Hierarchie. Mit den Kantonen Uri, Schwyz, Unterwalden, Zürich, Luzern, Glarus, Zug, Solothurn, Schaffhausen, Appenzell, St. Gallen und Aargau gehörte der Thurgau bis Anfang des 19. Jahrhunderts zum Bistum Konstanz. Dieses Bistum war gebietsmässig das umfangreichste im deutschen Sprachraum. Es war eingeteilt in zehn sogenannte Archidiakonate. Vier von ihnen lagen ganz, deren drei teilweise auf Schweizer Boden. Zur ersten Gruppe gehörte das Archidiakonat Thurgau, das nach dem "Liber decimationis" (Verzeichnis der Zehnten) von 1275 in fünf Dekanate oder Kapitel eingeteilt war, deren Gebiet und Namen im Lauf der Jahrhunderte wechselten. Heute ist die Katholische Landeskirche des Kantons Thurgau in vier Dekanate, nämlich in Arbon, Bischofszell, Fischingen und Frauenfeld-Steckborn eingeteilt, wie auch die Evangelische Landeskirche in die vier Dekanate Frauenfeld, Obersee, Untersee und Weinfelden.

Die Loslösung dieser Gebiete vom Bistum Konstanz wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 eingeleitet. Die schweizerischen Stände waren sich wegen der Bistumsfrage nach der Aufhebung des Bistums Konstanz 1806 lange uneins, bis sie der Papst mit einem Breve vom 7. Oktober 1814 aus dem alten Bistum entliess und sie unter die provisorische Leitung des Apostolischen Vikars, Propst Bernhard Göldlin von Tiefenau in Beromünster, stellte. Nach dessen Tod im Jahre 1819 wurden die schweizerischen Gebiete vorübergehend unter die Leitung des Bischofs von Chur gestellt. Schliesslich wurden nach langwierigen Verhandlungen Luzern, Bern, Solothurn und der Jura im Jahre 1828 zum neuen Bistum Basel zusammengeschlossen, dem bald auch der Aargau, Basel und im Jahre 1830 der Thurgau und Schaffhausen angegliedert wurden. Diese Regelung gilt bis zum heutigen Tag.

Der Staat Thurgau, der die Kirchenhoheit über beide Konfessionen beanspruchte, verlangte das "landesherrliche Plazet", für alle bischöflichen Verordnungen. Noch heute hat er bei der Wahl des Bischofs ein gewisses Mitspracherecht.

Im 19. Jahrhundert trat die Klosterpolitik ins Zentrum des Interesses, was vor allem wirtschaftlich bedingt war. Im Jahre 1848 erfolgte die Aufhebung der Klöster im Thurgau, mit Ausnahme des Klosters St. Katharinental, das im Jahre 1869 aufgehoben wurde.

Die Verfassung des eidgenössischen Standes Thurgau von 1869 schuf den heutigen Rechtszustand im Verhältnis des Staates zu den beiden Kirchen, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften im Rahmen der demokratischen Rechtsordnung mit eigener Organisation anerkannt wurden: die Katholische und die Evangelische Landeskirche mit je einer aus Laien und Geistlichen zusammengesetzten Volkssynode als Legislative, mit je einem Kirchenrat als Exekutive und den einzelnen Kirchgemeinden mit den Kirchenvorsteherschaften.

Die Katholische Landeskirche schuf sich am 13. Oktober 1870 ihre erste Kirchenorganisation. Heute ist das Organisationsgesetz von 1968 für die Angehörigen der katholischen Konfession verbindlich.

Selbständigkeit und gutes Einvernehmen der Landeskirchen

Wie bereits erwähnt, wurde der evangelischen und der katholischen Kirche durch die Verfassung von 1869 eine weitgehende Selbständigkeit zuerkannt, so dass für die Gestaltung des innerkirchlichen Lebens volle Unabhängigkeit vom Staat besteht. Als öffentlich-rechtliche Körperschaften unterstehen die Kirchen aber in gemischt-staatlichen Dingen der Oberaufsicht des Staates, der die Wahrung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze verlangt.

Heute wirken beide Landeskirchen in einem gegenseitigen guten Einvernehmen. Zweimal im Jahr werden in einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kirchenräte Anliegen und Aufgaben der beiden Landeskirchen besprochen wie die Seelsorge in den kantonalen Anstalten, der kirchliche Unterricht, die Flüchtlingsbetreuung (Peregrina-Stiftung), die Ehe- und Familienberatung oder die Inventarisation der kirchlichen Kunstdenkmäler.

Hans Gossweiler

Rechtsgeschichtlicher Abriss

Alte Eidgenossenschaft

Der Kanton Thurgau zählt zur kleinen Gruppe der so genannt paritätischen Kantone (zusammen mit den Kantonen Glarus, Graubünden, Aargau und St. Gallen). Während die meisten Stände der Alten Eidgenossenschaft nur Einwohner einer der beiden Konfessionen duldeten, waren in den paritätischen Kantonen Menschen beider Konfessionen zugelassen. Dies hängt damit zusammen, dass der Thurgau von 1460 bis 1798 Untertanengebiet der acht Alten Orte der Eidgenossenschaft war, d.h. von Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Glarus und Bern. Diese Alten Orte gehörten nach der Reformation sowohl dem evangelischen als auch dem katholischen Lager an, weshalb im Thurgau keine einheitliche Konfession durchgesetzt worden ist. Die eidgenössischen Landfrieden von 1529, 1531, 1656 und 1712 bestimmten die religionsrechtlichen Verhältnisse.

Eine weitere Folge dieses besonderen Status war, dass die Klöster die Reformation trotz der evangelischen Mehrheit im Thurgau überlebten, während in anderen Kantonen die Reformation nach 1520 zu deren Aufhebung führte. Im Thurgau bestanden bis ins 19. Jahrhundert dreizehn klösterliche Niederlassungen.

Mediation (1803-1814)

Kurz nach der Bildung des Thurgaus als unabhängiger Kanton im Jahr 1803 wurde auf Initiative der Regierung ein Kirchenrat konstituiert. Anknüpfend an die paritätischen Strukturen der Landfrieden wurde eine paritätisch besetzte Behörde geschaffen, die sich allerdings in einen katholischen und einen reformierten Kirchenrat teilte.

Restauration (1814-1830)

Der Verfassung von 1814 sah eine konfessionell gesonderte Konfessionsadministration vor. Dies wurde von der katholischen Minderheit gewünscht und war vergleichbar mit den Verhältnissen in St. Gallen. Jeder Kirchenrat war in seiner Konfession zuständig für die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten, ferner für die Schulgüter, das Ehe- und das Armenwesen (§ 39).

Verfassung des Cantons Thurgau
vom 28. Juli 1814

Sechster Abschnitt
Verhältnisse zwischen den beiden Confessionstheilen.

38. Die beiden Confessionstheile nehmen an der Staats- und Justizverwaltung in folgendem Verhältnisse neben einander Antheil:
a) im großen Rathe wird der katholische, als in der Volkszahl kleinere Theil der Cantonsbürger, im Verhältnisse von einem Viertheil repräsentirt; so zwar, daß bei der Besetzung des großen Raths wenigstens fünf und zwanzig Stellen in demselben an katholische Confessionsverwandte übertragen, und auch nie eine geringere als diese Zahl in den Erneuerungswahlen beibehalten werden soll.
b) Der kleine Rath wird neben zwei Drittheilen reformierter und einem Drittheil katholischer Glaubensgenossen besetzt. Der Vorsitz wechselt nach beiden Confessionen so, daß jeweilen einer der Landammänner aus den reformirten und einer aus den katholischen Mitgliedern gewählt werden soll.
c) In das Obergericht werden vier katholische Mitglieder gewählt. Der Vorsitz wechselt, wie bei dem kleinen Rathe, unter beiden Confessionen.
d) Bei Bestellung der übrigen Gerichts- und Verwaltungsbehörden und Beamtungen soll im Allgemeinen ein billiges Paritätsverhältniß beobachtet werden.

39. Jedem Confessionstheile kommt, unter der höhern Aufsicht der Regierung, die eigene Besorgung seines Kirchen-, Schul- und Matrimonialwesens, und die daherige Organisation zu, so wie die Aufsicht und Verwaltung über die ihm wirklich eigenthümlich und ausschließlich zugehörigen Kirchen-, Schul- und Armengüter.

40. Bei Streitigkeiten zwischen Gemeinden und paritätischen Gemeindetheilen, welche ihren Grund in der Religionsverschiedenheit haben, tritt ein schiedsrichterliches Verfahren ein. Zu dem Ende wählt jede Partei zwei Schiedsrichter, und wenn es beiden nicht gelingt, sie zu vereinigen, noch ferner ein Mitglied des kleinen Raths ihrer Confession, wo sodann die beiden Regierungsglieder, in Verbindung mit den vier Schiedsrichtern, den Streitgegenstand zu gütlicher Beseitigung zu bringen Bedacht nehmen. Fruchtlos bleibenden Falls wird von ihnen, unter dem Vorsitze eines Obmanns, den der kleine Rath frei wählt, über die Streitsache endlich abgesprochen.

Regeneration (1831-1848)

Die Kantonsverfassungen von 1831 und von 1837, die so genannten Regenerationsverfassungen, sahen zwei voneinander unabhängige Kirchenräte mit je sieben Mitgliedern vor. Diese wurden vom jeweiligen Konfessionsteil gewählt, d.h. von den katholischen bzw. reformierten Mitgliedern des Grossen Rats. Dieser Konfessionsteil durfte per Dekret die Organisation der Kirche schaffen (§ 196). Damit war bereits das Verständnis einer selbständigen konfessionellen Körperschaft mit eigener Rechtsordnung gelegt, was später den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ausmacht.

Mit der Kantonsverfassung von 1831 wurde den Kirchgemeinden das Pfarrwahlrecht übertragen (§ 198), was für die katholische Kirche von besonderer Bedeutung ist.

Staatsverfassung für den eidgenössischen Stand Thurgau 
vom 14. April 1831

Abschnitt 8
Kirchenwesen.

190. Um die Befugnisse und Geschäfte zu besorgen, die jedem Confessionstheil besonders zukommen, stellt jeder derselben einen besondern Kirchenrath auf.

191. Die beiderseitigen Kirchenräthe, die von einander unabhängig bestehen, haben im Allgemeinen die Oberaufsicht und Leitung alles dessen, was die Erhaltung einer guten Ordnung im Kirchen- und auch im Armenwesen betrifft, in so weit dieser Letztere Confessionssache ist.

192. Ihnen kommt ferner zu: die Aufsicht über die Verwaltung der jedem Confessionstheile eigenthümlich und ausschließlich zugehörigen Kirchen-, Schul- und Armengüter, und die übrigen Fonds.

193. Dabei haben sie noch als besondern Zweck zu betrachten und zu befördern: die Religiosität und Sittlichkeit des Volkes, und die Verbreitung christlicher Toleranz. - Zudem liegt ihnen die Prüfung der Wahlfähigkeit der Aspiranten auf Pfarrstellen ob.

194. Jeder der beiden Kirchenräthe besteht aus 7, nämlich 3 geistlichen und 4 weltlichen Mitgliedern.

195. Die Mitglieder der Kirchenräthe werden von den betreffenden Großrathscollegien gewählt.

196. Über die Einrichtung, Befugniß und Geschäftsführung des einen und andern Kirchenraths, so wie über die Organisation des Kirchenwesens im Allgemeinen, haben die betreffenden Großrathscollegien durch ein besonderes Decret nähere Anordnung zu treffen.

197. In jeder Kirchengemeinde besteht ein Kirchenstillstand oder Sittengericht aus wenigstens 5 Mitgliedern. Die nähere Einrichtung und Befugniß dieser Behörde zu bestimmen, ist den betreffenden Großrathscollegien überlassen.

198. Die geistlichen Pfründen werden bei künftigen Erledigung von den Kirchengemeinden selbst aus den, von den betreffenden Kirchenräthen für wahlfähig erkannten, Geistlichen besetzt. Die Bestimmung der diesfälligen Wahlart, so wie der Verhältnisse derjenigen Gemeinden, wo das Collaturrecht nicht dem Staate oder den Gemeinden zusteht, ist dem Gesetze vorbehalten.

Klosteraufhebungen (1848)

Die Zeit von 1848 bis 1869 war aus der Perspektive der katholischen Minorität nicht ohne Spannungen. Führende Thurgauer vertraten damals die Auffassung, die Klöster seien reich und "jedem gemeinnützigen Wirken fremd geblieben". Nach verschiedenen Massnahmen wie Einsatz staatlicher Klosterverwalter und Bewilligung bzw. Verbot von Novizenaufnahme beschloss der Thurgauer Grosse Rat 1848 die Aufhebung aller Klöster bis auf eines, das er dann 21 Jahre später auch noch aufhob.

1848     

Augustiner-Chorherrenstift St. Pelagius Bischofszell (seit etwa 850)

Augustiner-Chorherrenstift St. Ulrich und Afra Kreuzlingen (seit 968)

Benediktinerinnenkloster Münsterlingen  (seit etwa 1100)

Bendiktinerkloster Fischingen (seit 1135)

Zisterzienserinnenabteien Feldbach (seit 1253), Kalchrain (seit 1330) und Tänikon (seit 1249)*

Kartäuserkloster Kartause Ittingen (seit 1461, zuvor Augustinerkloster)

Kapuzinerkloster Frauenfeld (seit 1559)

1869

Dominikanerinnenkloster St. Katharinental

* Die Zisterzienserinnen der Klöster Kalchrain, Feldbach und Tänikon vereinigten sich 1856 und 1869 zum heute noch bestehenden Nachfolgekloster Mariastern-Gwiggen in der Gemeinde Hohenweiler (Vorarlberg).

Staatsverfassung 1849

Nach der Gründung des Bundesstaates formulierte die erste thurgauische Staatsverfassung einige Neuerungen für die Kirchen: Die Kirchenräte wurden von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert (§ 59), eine Festlegung, die bis heute Bestand hat. Die Kompetenzen der beiden Kirchenräte wurden für beide Konfessionen identisch festgelegt (§ 58).

Im Weiteren folgten aber konfessionsspezifische Bestimmungen. Während auf evangelischer Seite bereits eine Synode gebildet wurde (§ 90), durfte der katholische Kirchenrat auf eine konfessionell angepasste Organisation hinwirken.

Staatsverfassung des Kantons Thurgau 
vom 9. November 1849

III. Kirchenräthe.

§ 58. Ein reformirter und ein katholischer Kirchenrath üben, jeder für seinen Konfessionstheil, wesentlich folgende Kompetenzen:
a. Die Aufsicht über alle Gegenstände des kirchlichen Kultus;
b. die Aufsicht über die Bildung der Geistlichkeit, sowie über die Amtsführung und den sittlichen Lebenswandel der angestellten Geistlichen;
c. die Aufsicht über den Religionsunterricht der Jugend;
d. die Aufsicht über die konfessionellen Kirchenvorsteherschaften;
e. die Prüfung der Kandidaten für das Predigtamt und die Erklärung ihrer Wahlfähigkeit;
f. die Obfolge für eine den Erfordernissen entsprechende Seelsorge in den Kirchgemeinden.

§ 59. Jeder der beiden Kirchenräthe besteht aus fünf, nämlich zwei geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern nebst zwei Suppleanten, welche von den konfessionellen Großrathskollegien auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden. Die Kirchenräthe bestellen sich selbst ihre Präsidenten. Die nähere Organisation der Behörden und die Bestimmung, in wie weit ihre Beschlüsse der Bestätigung des Regierungsrathes bedürfen oder über dieselben rekurrirt werden kann, bleiben einem vom Großen Rathe zu erlassenden Gesetze vorbehalten.

Fünfter Abschnitt.
Verhältnisse der beiden Konfessionstheile.

§ 89. Die beiden Konfessionstheile werden im Großen Rathe nach Verhältniß ihrer Seelenzahl repräsentirt. In den Regierungsrath sollen fünf evangelische und zwei katholische Mitglieder erwählt werden.Bei Bestellung der übrigen Verwaltungsbehörden sind im Allgemeinen die Grundsätze der Parität nach einem billigen Maßstabe zu beobachten.

§ 90. Eine Synode ordnet die innern Angelegenheiten der evangelisch-reformirten Kirche, unter Vorbehalt des Rechtes der Genehmigung des Staates. Die Organisation dieser Synode und des Kirchenwesens überhaupt ist einem auf eingeholtes Gutachten der erstern zu erlassenden Gesetze vorbehalten.

§ 91. Die Organisation des katholischen Kirchenwesens überhaupt ist einem auf eingeholtes Gutachten des katholischen Kirchenrathes zu erlassendes Gesetzes. Die Staatsbehörden werden die Verbindung der katholischen Geistlichkeit und des katholischen Kirchenrathes mit den Vorstehern der katholischen Kirche, namentlich mit dem Bischofe, in religiösen und kirchlichen Dingen nicht hemmen.

§ 92. Es unterliegen alle kirchlichen Erlasse und Verordnungen, die veröffentlicht werden wollen, vor ihrer Bekanntmachung und Vollziehung der Zustimmung des Regierungsrathes (placetum).

§ 93. Der Staat gewährleistet beiden Konfessionen die Unverletzlichkeit der zu frommen Zwecken bestehenden Güter und Stiftungen, und es kann deren Zweckbestimmung nicht abgeändert werden, ohne Genehmigung des Großen Rathes. Die Verwaltung dieser Fonds kömmt unter die Oberaufsicht der Staatsbehörden den konfessionellen Behörden zu. Die nähere Regulirung der Verwaltung dieser konfessionellen Fundationen bleibt aber dem Gesetze anheimgestellt.

§ 94. In Beziehung auf Beurtheilung von Eheversprechen und Ehestreitigkeiten wird die Gesetzgebung die nähern Bestimmungen feststellen, wobei jedoch das Sakramentalische des Ehebandes der katholischen Glaubensgenossen anerkannt bleiben soll.

§ 95. Für die Wahl der beiden Kirchenräthe söndern sich die Mitglieder des Großen Rathes nach den Konfessionen in besondere Rathskollegien ab.

Kantonsverfassung von 1869

Die Wogen glätteten sich mit der Verfassung vom 28. Februar 1869. Auf der Basis der neuen Kantonsverfassung wurden die Landeskirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannt, die beiden Konfessionen konnten sich ihr jeweiliges Organisationsgesetz geben, und die Kirchgemeinden erhielten das Besteuerungsrecht.

Da der Grosse Rat nicht mehr nach Proporz-Parität gewählt worden ist, fielen die Konfessionsteile, d.h. die konfessionellen Zusammensetzungen des Grossen Rats, dahin. Deshalb wurde 1869 auch eine katholische Synode gegründet (die evangelische Synode wurde bereits 1849 gebildet).

Die Verfassung von 1869 schuf die konstitutionellen Voraussetzungen, die für die katholische Bevölkerung einen Ausweg aus der heute viel zitierten katholischen "Sondergesellschaft" und eine Versöhnung mit dem modernen liberalen Staat ermöglichten.

Verfassung des eidgenössischen Standes Thurgau 
vom 28. Februar 1869

Neunter Abschnitt.
Kirchenwesen.

§ 56. Die evangelische und die katholische Landeskirche ordnen ihre Kultusverhältnisse selbstständig, in gemischt staatlich-kirchlichen Dingen jedoch unter der Oberaufsicht und mit Vorbehalt der Genehmigung des Staates. Beide Konfessionstheile wählen in den Kirchgemeinden Räthe (Synoden), welche aus Geistlichen und Laien gemischt sind, und deren bezügliche Ausgaben durch die betreffende Konfession zu decken sind.

Erlasse und Verordnungen gesetzgeberischer Natur unterliegen der konfessionellen Volksabstimmung.

Die konfessionellen Räthe ernennen ihre besondern kirchlichen Aufsichts-, Verwaltungs- und Vollziehungsbehörden. Das Gesetz bestimmt, inwiefern die Beschlüsse der letztern der Zustimmung des Regierungsrathes unterliegen oder über dieselben der Rekurs zulässig ist.

Gegen kirchliche Erlasse und Verordnungen, sowie gegen Handlungen einzelner Geistlichen, welche die öffentliche Ordnung, oder die Rechte der Bürger, oder den Frieden unter den Konfessionen beeinträchtigen, können die Staatsbehörden einschreiten und die geeigneten Maßnahmen zur Abhülfe treffen.

§ 57. Der Staat gewährleistet beiden Konfessionen die Unverletzlichkeit der für fromme Zwecke gewidmeten Güter und Stiftungen, und es kann deren Zweckbestimmung ohne die Genehmigung des Regierungsrathes nicht abgeändert werden.

§ 58. Die Obsorge für den kirchlichen Gemeindehaushalt, insbesondere die Fondsverwaltung und die Herbeischaffung der für die Besoldung der Geistlichen, für die Bedürfnisse des Gottesdienstes und für kirchliche Bauzwecke erforderlichen Hülfsmittel, beruht nach den nähern Vorschriften der vom Staate zu genehmigenden Kirchenordnungen auf den konfessionellen Kircheinwohnergemeinden, beziehungsweise den Kirchenvorsteherschaften als Vollziehungs- und Verwaltungsbehörden derselben.

Kantonsverfassung von 1987

Die staatskirchenrechtlichen Institutionen, also die Landeskirchen mit ihren Kirchgemeinden, haben die Aufgabe, das kirchliche Leben und die pastoralen Aufgaben zu unterstützten und zu fördern. Die Verfassung bestimmte, dass die Evangelisch-reformierte Landeskirche und ihre Kirchgemeinden sowie die katholische Körperschaft und ihre Kirchgemeinden staatlich anerkannte Personen des öffentlichen Rechts sind. Dies gilt auch nach der geltenden Verfassung von 1987 (§§ 91 – 93).

Für die katholische Kirche im Kanton Thurgau ist dies die Grundlage für den sogenannten Dualismus zwischen kanonischem (innerkirchlichem) und kantonalem (staatskirchenrechtlichem) Recht und entsprechenden Organisationsstrukturen, insbesondere zwischen Pfarreien und Kirchgemeinden.

 

 

Vom Staat Thurgau anerkannt ist die katholische Kirche bzw. der Apost. Stuhl allerdings schon seit langer Zeit, nämlich aufgrund des Konkordats (=völkerrechtlicher Vertrag mit dem Apostolischen Stuhl) von 1829. Mit diesem Konkordat beschloss der Stand Thurgau den Beitritt zum Bistum Basel.

 

Urs Brosi