Vision «dual kongruent 2030-2040»: Fachkräftemangel zwingt die katholische Landeskirche zu Reformen.

Kirchenratspräsident Cyrill Bischof wirkt entspannt. Ebenso Bischofsvikar Hanspeter Wasmer. Dieser ist für das Gespräch via Videokonferenz vom Bistumssitz in Solothurn in das Sitzungszimmer im Zentrum Franziskus in Weinfelden zugeschaltet. Die entspannte, freundliche Stimmung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl die katholische Landeskirche Thurgau als auch das Bistum Basel, dem der Thurgau angehört, vor enormen Herausforderungen stehen.

Die katholische Kirche steht unter Druck: gesellschaftlich, politisch und organisatorisch. Jahr für Jahr treten zahlreiche Angehörige aus der Kirche aus, womit auch ihre Kirchensteuern ausbleiben. Zudem lassen immer mehr Eltern ihre Kinder nicht taufen. Da sie dadurch erst spät – wenn überhaupt – mit der Kirche in Kontakt kommen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie der Kirche für immer fernbleiben. Der Kirche weht auch von der Politik her ein eisiger Wind entgegen: Ein erneuter Vorstoss im Thurgauer Grossen Rat will erreichen, dass juristische Personen (Firmen mit Rechtsformen wie  AG oder GmbH) von der Kirchensteuer befreit werden.

Fachkräftemangel durch neue Strukturen auffangen 
Der Fachkräftemangel kommt noch hinzu. Vor allem geweihte Priester und ausgebildete Theologinnen und Theologen, aber auch andere Fachpersonen fehlen. Längst nicht mehr jede Pfarrei hat einen eigenen Pfarrer. Dieser Situation begegnen der Kirchenrat der katholischen Landeskirche Thurgau und die zuständige Regionalleitung des Bistums Basel mit der Vision «dual kongruent 2030–2040». Diese sieht vor, die heutigen Pastoralräume, Pfarreien und Kirchgemeinden bis 2040 neu zu ordnen. Demnach soll die katholische Kirche im Thurgau künftig in fünf Netzwerke eingeteilt werden, die geografisch mit den politischen Bezirksgrenzen deckungsgleich (kongruent) sind. In jedem dieser fünf Netzwerke soll es zirka fünf Kirchgemeinden und ebenso viele Pfarreien geben, die ebenfalls deckungsgleich sind. Insgesamt gäbe es so künftig 25 Kirchgemeinden beziehungsweise Pfarreien. «25 ist eine Richtzahl, aber noch nicht fix», betont Bischofsvikar Hanspeter Wasmer. «Das müssen die Kirchgemeinden entscheiden.»

Einer der fünf Pfarreien pro Netzwerk sollen Zentrumsfunktionen zukommen, damit wenigstens hier auch in Zukunft sämtliche kirchlichen Dienstleistungen angeboten werden können. Als «faszinierend an diesem Ansatz» bezeichnet Cyrill Bischof die Zielsetzung, dass das kirchliche Leben grundsätzlich weiterhin in der Pfarrei stattfinden soll, wenngleich einige Dienstleistungen über jene Pfarrei mit Zentrumsfunktion organisiert und koordiniert wird. In jeder Pfarrei soll es darum eine angestellte Person geben – eine Netzwerkerin oder einen Netzwerker, der oder die entsprechend ausgebildet wird. Zumindest in der Pfarrei mit Zentrumsfunktion soll es auch in Zukunft einen ausgebildeten Theologen oder eine Theologin für die Seelsorge haben. «Mindestens, lieber in mehreren Pfarreien», fügt Bischofsvikar Hanspeter Wasmer hinzu. Wer wo welche Bezeichnung hat, wer konkret was macht und wer die Hauptverantwortlichen sein werden, «wissen wir noch nicht genau», sagt Bischof.

«Die Grundstimmung ist positiv»
Was denken die Menschen in den Kirchgemeinden? Um das zu erfahren, wurde bis Ende September eine Vernehmlassung durchgeführt. 80 Prozent der aktuell 38 Kirchgemeinden haben daran teilgenommen. Nun liegen die Resultate vor. «Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Grundstimmung ist positiv, die Leute stehen in den Grundzügen dahinter», sagt Bischof. «Dass der Kirchenrat und die Bistumsregionalleitung nach Lösungen suchen, wird anerkannt. In den Details gibt es aber unterschiedliche Wünsche. » Geografisch hätten sich zwei heikle Stellen gezeigt: im Südthurgau (Lauchetal) und im Seerücken-Gebiet.

Ein Kritikpunkt war die fehlende demokratische Mitsprache. «Ich verstehe die Kritik nicht», sagt Bischof. «Eine Vision ist meistens eine Leistung von Einzelnen oder kleinen Gruppen. In der Vernehmlassung und in der Projektphase hingegen sollen sich alle Interessierten einbringen können.» Bischofsvikar Hanspeter Wasmer ergänzt: «Eine Vision soll aufzeigen, wie es weitergehen könnte. Deshalb auch der Zeithorizont 2030 bis 2040. Eine Vision dient der Orientierung, sie ist eine Vorleistung.» Die Vision wird mit einem Pilotprojekt im Bezirk Münchwilen ausgetestet. Interessierte Kirchgemeinden können sich bis 20. Dezember anmelden.

Hans Suter, Thurgauer Zeitung

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dual kongruent
Quelle: Kath. Landeskirche TG

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